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Donnerstag, 28. März 2013

237 - Leseprobe für Euch!


PROLOG

 

Leichter Nebel hatte sich in der Dusche gebildet und hinterließ einen Schleier auf den Fliesen.
Sie spürte eine Hand, seine Hand, wie sie von ihren Hüften, über ihren Rücken bis zu ihrer Schulter streifte. Ihr Herz machte einen Aussetzer, um dann anzufangen, wie wild zu rasen.
Er drehte sie mit einem Ruck herum. Einen Moment sah er sie nur an und sie starrte zurück, ohne zu wissen was sie fühlen oder denken sollte.
Der Duft seiner Haut stieg ihr in die Nase und ließ ihre Haut prickeln. Sie taumelte etwas zurück und stieß mit dem nackten Rücken gegen die kalten Fliesen.
Das Wasser floss über seinen Körper, der inzwischen ebenso gerötet war wie der ihre.
Wasserperlen verfingen sich in seinem Bart.
Sie hatte vergessen zu atmen, und ihre Knie wurden weich. Er schien eine Sekunde lang zu überlegen.
Dann packte er ihren Hals und zog sie zu sich, sein Kuss raubte ihr den letzten Sauerstoff und sie wäre umgefallen, hätte er nicht ihre Hüften umfasst.


1. Begegnung


Wie in einem Traum sah Morgan sich durch den Flur in Richtung Schlafzimmer gehen. Die seltsamen Geräusche hatten sie sogar davon abgehalten, die dreckigen Schuhe auszuziehen. Sie hatte ihren Herzschlag kaum noch wahrgenommen, als sie die Tür öffnete und die perfekten Silikonbrüste anstarrte, die ihr Verlobter in den Händen hielt.
Morgan fluchte lauthals, beim Aufziehen einer Spritze schnitt sie sich an der Kanüle. Das hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt. Einen weiteren Fluch unterdrückend, desinfizierte sie die kleine Wunde und klebte sich ein Pflaster darüber. Wie es schien, war das Glück im Moment nicht auf ihrer Seite. Drei Wochen war es her, drei verfluchte Wochen, in denen sie an kaum etwas anderes hatte denken können, außer an diese Szene.
Zwei Jahre meines Lebens habe ich an diesen Kerl verschwendet.
Ken und sie lernten sich kennen, nachdem sie ihr Studium abgebrochen hatte.
Gut aussehend, guter Job, kam toll mit ihrer Mutter aus…
Eigentlich hätte ich schon da merken müssen, dass er ein Arsch ist. Welcher normale Mensch kommt schon mit meiner Mutter zurecht?
Sie stöhnte und versuchte sich nicht noch weiter zu quälen, doch die Erinnerung machte ihr noch immer zu schaffen. Das Bild dieser Blondine hatte sich in ihr Hirn gebrannt. Diese makellosen Brüste, die sich nicht einmal bewegten und die großen grünen Augen, die sie abschätzig musterten.
„Ich glaube, deine Freundin ist wieder da, Darling.“
War das zu glauben? Als wäre diese Frau direkt von einem Porno, auf meinen Verlobten gesprungen. Keine Reue, keine Scham, Nichts. Außer vielleicht Verachtung.
Sie zog die Spritze mit einer neuen Kanüle auf und ging zu Anthony. Sie arbeitete seit mehr als zwei Jahren in dieser Anstalt und hatte inzwischen das Gefühl, dass es eine Art zweites Zuhause geworden war.  Jeder der Patienten schien in gewisser Weise wie ein nerviger Verwandter zu sein, der einem zwar die Nerven raubte, ohne den es aber einfach kein richtiges Familienfest war. Anthony war mit seinen 21 Jahren der jüngste Patient der ganzen Anstalt, bisher hatte niemand herausfinden können, woran genau er litt. Brain vermutete eine dissoziative Identitätsstörung oder multiple Persönlichkeitsstörung, bei der die Wahrnehmung eine ganz andere war, als die Realität. Die Patienten bilden zahlreiche unterschiedliche Persönlichkeiten aus, die abwechselnd die Kontrolle über ihr Verhalten übernehmen.
An das Handeln der jeweils „anderen“ Identitäten kann sich der Betroffene entweder nicht erinnern oder erlebt es als das Handeln einer fremden Person.
Morgan öffnete seine Zelle und sah ihn an. Wie jedes Mal machte ihr Herz eine kleine Pause, bevor sie auf ihn zuging. Anthony wusste oft nicht, wo er sich befand und verfiel zeitweise in die Verhaltensmuster eines Babys zurück.
Unter den Beruhigungsmitteln war er jedoch gut zu kontrollieren. Selten wurde er aggressiv, aber wenn, dann schlug er wie wild um sich, beschimpfte alle, die ihm unter die Augen kamen als gottlose Huren und erinnerte sich später an nichts.
Eigentlich war er ein netter Kerl, zumindest eine seiner Identitäten, der einfach nur bekloppt war.
Morgan seufzte tief, ihr Job im Saint Hollow war an so manchen Tagen unerträglich.
Wenn man sich die ganze Zeit zwischen Menschen aufhielt, die immer am Rande eines Abgrundes standen, konnte man sich selbst leicht bis zum Rand treiben.
Wieder eine Gemeinsamkeit mit meiner Familie.
Heute war Anthony ruhig, sodass er sich ohne Widerstand
das Beruhigungsmittel spritzen ließ.
Nachdem sie ihn sauber gemacht und ihm frische Kleidung angezogen hatte, ging sie zurück in den Pausenraum. Der Duft des frischen Kaffees hing in der Luft.
Die Nachtschichten waren meistens ruhig.
Die Patienten der Saint Hollow Klinik waren hoffnungslose Fälle, sie standen unter ständiger Kontrolle und medikamentösem Einfluss. Niemand von ihnen würde je wieder einen Fuß aus der Anstalt hinaus setzen.
Das Personal wusste schnell, wie es sich verhalten musste und, welche Medikamente die gewünschte Wirkung hatten. Im Zweifelsfall immer eine etwas höhere Dosis Beruhigungsmittel und schon konnte man sich wieder der Abrechnung oder der Inventur widmen.
So wurde es uns zumindest beigebracht. Die Patienten ruhigstellen und mit den anderen Dingen weitermachen …
Manchmal frage ich mich, ob ich die Einzige bin der  diese Menschen am Herzen liegen …
Die Anstalt war zwar recht klein, dafür aber die Sicherste in ganz England. Gerade mal 4 Flure mit jeweils 10 Zimmern, sodass es im  Moment nicht mehr als 35 Patienten waren.
Ab und an wurde ein Platz frei, wenn es einer der Patienten schaffte, sich das Leben zu nehmen.
Seltener waren die Nebenwirkungen von Medikamenten schuld, sie selbst hatte beides noch nicht oft erlebt und war froh darüber.
Morgan rieb die kalten Hände aneinander und betrachtete Karl. Er war einer der Pfleger und gerade sehr vertieft in ein Sportmagazin, während er auf dem fleckigen Sofa saß.
„Hast du denn nichts zu tun?“, fragte sie neckend und grinste. „Doch“, antwortete Karl und hob den Kaffee.
Sie lachte und zog den Kittel etwas enger um  ihren Körper. Es war kalt, der Herbst hatte sich über England gelegt und brachte nichts als Regen und Matsch.
Mit einer Tasse Kaffee machte sie sich auf den Weg zu Brains Büro. Dieser saß müde über den Patientenakten und lächelte
dankbar, als sie hereinkam.
„Dr. States, sie sehen aus, als würden sie gleich einschlafen.“
Er schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.
„Ich wünschte, ich könnte einschlafen“, murmelte er und nahm seine Lesebrille ab. „Hugh hat gerade angerufen, heute Nacht kommt ein neuer Patient.“
Morgan zog die Augenbrauen zusammen und setzte sich auf den viel zu unbequemen Stuhl vor dem Schreibtisch.
„Noch heute Nacht?“
Brain nickte und wischte sich über die Nase.
„Anscheinend ein gefährlicher Bursche, zumindest wollte Hugh Sicherheitsstufe 1 …“
„Wann soll er denn kommen?“
Brain sah auf seine Armbanduhr.
„Ich schätze in einer halben Stunde. Soweit ich weiß hat er Schlafmittel bekommen, also gehe ich davon aus, dass wir ihn ohne Mühe in eine der Zellen bekommen…“
„Soll ich den Aufwachraum vorbereiten?“
Brain schüttelte den Kopf.
„Sag Freddy und Karl Bescheid, die sollen sich darum kümmern…“
Wieder nickte sie und stand auf. Neue Patienten waren selten. In den Jahren, in denen sie nun hier arbeitete, hatte es nur 5 Neue gegeben und da war die Kapazität der Anstalt noch nicht aufgebraucht gewesen. Im Moment waren nur 2 Zellen frei, und nur eine davon hatte die Sicherheitsstufe 1.
Sie sagte den Jungs Bescheid und machte sich daran, ihren Rundgang zu beenden.
Alles war ruhig, so ruhig, dass sie sich fast wünschte, es würde etwas passieren. Das war der Nachteil bei den Nachtschichten, irgendwann wusste man einfach nicht mehr, was man noch machen sollte, um sich wach zu halten.
Sie fragte sich, ob Brain vielleicht noch etwas braucht.
Irgendwelche Medikamentenlisten oder Patientenakten.
Vielleicht sollte sie ihm auch die neusten Studienberichte vorbei bringen. Sie hatte gerade erst etwas darüber gelesen, dass die Farbe Gelb bei Gewaltopfern wahre Wunder bewirkt haben soll.
Sie schüttelte den Kopf, um sich selbst davon abzuhalten. Brain hatte andere Dinge zu tun und die Nachtschichten machen ihm auch so genug zu schaffen.
Ich kann ihm die Berichte auch noch an einem anderen Tag bringen …
In Gedanken versunken schlenderte sie über die sterilen Flure und steuerte dann auf den Aufwachraum zu. Ihre Armbanduhr zeigte ihr, dass die halbe Stunde fast vorbei war.
Vielleicht konnten die Jungs ja doch ihre Hilfe gebrauchen. Schon aus der Entfernung hörte sie das laute Stimmengewirr. Sie beschleunigte ihre Schritte, doch die Stimmen wurden lauter und verursachten ihr eine Gänsehaut, sodass sie anfing zu rennen.
Vor dem Aufwachraum hielt sie an. Das Quietschen ihrer Schuhe über den Boden war so laut, dass sie sich kurz schüttelte.
Sie konnte kaum etwas erkennen. Nur dass der neue Patient anscheinend wach und nicht gewillt war, sich von den Pflegern beruhigen zu lassen.
Scheiße, ich hasse es! Ich hätte mich nicht über die Langeweile beschweren dürfen. Das hab ich jetzt davon. Warum passieren solche Dinge immer in meiner Schicht?
Bevor sie in den Raum trat, nahm sie sich eine Fertigspritze aus ihrer Kitteltasche und umklammerte sie so fest, dass ihre Fingerknöchel hervortraten. Morgan hörte die Pfleger fluchen. Alles, was sie sah, war das undeutliche Bild eines sehr großen Mannes.
Sie umklammerte die Spritze noch etwas fester. Adrenalin schoss durch ihre Blutbahn und erschwerte ihr  das Denken.
Wie kann er zwei Pfleger in Schach halten, wenn er gerade erst ein starkes Beruhigungsmittel bekommen hat?
Ihr Atem ging schneller während sie versuchte sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
Sie hörte Freddy schreien und einen dumpfen Aufprall.
Wenn der Patient raus will, muss er an mir vorbei, denn ich stehe genau in der Tür, die zum Flur führt. Komm schön her Großer, die Spritze wartet schon auf dich …
Unruhig verengte sie die Augen und schob die Schutzkappe von der Kanüle, sodass sie leise klirrend auf den Boden fiel. Dann sah sie ihn.
Ein Riese von einem Mann, seine Haare waren kurz geschoren, die Patientenkleidung hing in Fetzen an ihm herunter und seine Hände waren dick einbandagiert. Er erwiderte ihren Blick einen Moment, bevor er auf sie zusteuerte.
Scheiße! Ich habe etwas andres erwartet, einen Sedierten, nicht jemand der sich bewegt wie eine Raubkatze und groß genug ist, um mich mit einem Schlag durch den Raum zu fegen.
In ihren Ohren rauschte es plötzlich, wie bei einem Radio bei dem man keinen Sender finden konnte.
Er kam dichter, während sie noch immer nicht in der Lage war sich zu bewegen oder einen klaren Gedanken zu fassen. Die Art wie sein Blick sich durch ihren bohrte …
Karl tauchte in ihrem Blickfeld auf und rief etwas, aber sie verstand nicht was. Der Patient blieb kurz vor ihr stehen und starrte sie aus den fast schwarzen Augen an.
„Lass mich durch, Kleines.“
Ihr Mund öffnete sich leicht.
Wie hat er mich gerade genannt? Er stand so dicht vor ihr, dass sie ihn fast riechen konnte. Mechanisch rammte sie ihm die Spritze ins Bein, pumpte ihm das Mittel in den Körper und wich einen Schritt zurück.
Seine Augen weiteten sich für eine Sekunde.
Er sah einen Moment auf die Spritze, dann zog er sie heraus und warf sie auf den Boden.


...


1 Kommentar:

  1. AHHHHHH!!!!
    Du kannst uns doch an so einer Stelle nicht hängen lassen!
    :(
    Super spannend! ich schnappe mir die Leseprobe von deinem Blog und setzt es gleich auf die Amazon-Liste!
    Ist ja schließlich bald Ostern ;)

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