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Donnerstag, 21. März 2013

Renn! - J.W.Gacy

Renn!

Mia stolperte über eine Wurzel und schlug mit dem Gesicht in den matschigen Boden des Waldes. Hustend drückte sie sich wieder hoch und spähte in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Der Wald war bedrohlich still.
Sie schluckte den Dreck und die Panik hinunter. Mit weit aufgerissenen Augen wartete sie.
Der Wald war undurchdringlich und durch den Schnee hatte sich der Boden in Schlamm verwandelt, der jedes Laufen zu einem Rutschen machte.
Ein Knacken ließ sie wieder aufspringen.

Renn weiter!
Sie wischte sich über den Mund. Das lange Haar verfing sich in den dichten Ästen und wurde ihr in einigen Strähnen aus der Kopfhaut gerissen, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was sie erleiden musste, wenn ER sie finden würde. Hechelnd wie ein Hund versteckte sie sich hinter einer dicken Eiche und versuchte, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen.
Ihr Blind Date hatte sich in einen Albtraum verwandelt. Dabei war es nicht einmal ihre Idee gewesen, sich mit diesem Mann zu treffen. Ihre beste Freundin hatte es ihr geraten und lag nun in seinem Keller, ohne Kopf.
Mia rannte weiter. Sie hatte keine Orientierung, keine Waffen, kein Handy.
Ich will hier nicht sterben... Nicht so... Nicht in diesem Wald...
Irgendwo musste die Straße sein, wenn sie nur lange genug in eine Richtung lief, musste sie wieder zur Straße kommen. Das Adrenalin versetzte sie in einen Rausch, der es ihr unmöglich machte einen klaren Gedanken zu fassen. In welche Richtung muss ich, verdammt nochmal?
"Mia..."
Panisch warf sie einen Blick über die Schulter. In der Dunkelheit war nicht auszumachen, woher er kam. In der letzten Sekunde schaffte sie es, einem tiefhängendem Ast auszuweichen, rutschte dann jedoch einen Abhang hinuter und hatte Mühe nicht wieder hinzufallen.
"Mia..."
Röchelnd und hustend wechselte sie die Richtung. Er konnte nicht mehr weit von ihr entfernt sein.
Ihre Turnschuhe gaben bei jedem Schritt ein schmatzendes Geräusch von sich und die Kraft ließ allmählich nach, die Panik wurde noch größer.
"Mia... du kannst nicht ewig davonlaufen..."
Hätte sie noch Luft gehabt, hätte sie gelacht. Ewig vielleicht nicht, aber noch gab sie nicht auf.
Der Mond bahnte sich seinen Weg durch die Bäume und spendete ihr etwas Licht.
Sie lief geradewegs auf das Haus zu. Sein Haus. Fast wäre sie stehen geblieben, doch nun konnte sie ihn sehen, nicht einmal 100 Meter von ihr entfernt. Er lachte auf. "Willkommen zu Hause, Prinzessin!"
Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Er war zu dicht hinter ihr, als dass ein erneuter Richtungswechsel etwas bewirkt hätte, doch ins Haus zu rennen wäre ihr sicherer Tod. Mia sah über die Schulter und hielt sich links, sie rannte um das Haus herum.
"Wollen wir im Kreis laufen?"
Zum antworten fehlte ihr die Kraft, was sie brauchte war eine Waffe. Hinter dem Haus war ein Schuppen, auf den sie zusteuerte. Sie brauchte etwas, irgendwas.
Gerade als der Mond wieder drohte, von den Wolken verschluckt zu werden, sah sie es.
Ein Beil, das in einem Baumstumpf steckte. Hoffnung keimte in ihr auf und sie riss es mit einer Kraft aus dem Holz, dass ihr fast schwindelig wurde.
"Oh, Mia. Du willst spielen?"
Er stand zwei Meter vor ihr, das Messer in der Hand.
Zitternd hob sie das Beil über ihren Kopf, das einzige Geräusch was sie hörte war das Rauschen in ihren Ohren. Das Grinsen in seinem Gesicht war trotz der Dunkelheit deutlich zu erkennen. Sie schluckte und blinzelte die Tränen weg. Er legte den Kopf schief und betrachtete sie lange, genauso wie er sie bei ihrem Treffen im Restaurant angesehen hatten, doch dort war es ihr noch nicht psychopathisch vorgekommen.
Mit einem Satz sprang er auf sie zu. Mehr aus Reflex als aus Absicht, bückte sie sich im gleichen Moment und schlug mit dem Beil nach seinen Beinen. Er heulte kurz auf und rammte das Messer in ihren Rücken, doch sie war schneller. Sie wandte sich um und schlug erneut mit dem Beil zu.
Ihr warmes Blut durchtränkte die helle Bluse.
Er schwankte und sie trat ihm von hinten in die Kniekehle, sodass er vorn überkippte. Schreiend stürzte sie sich auf ihn und schlug das Beil in seinen Rücken. Seine Schreie ließen die Bäume erzittern, doch Mia hörte nicht auf. Sein Blut spritze ihr ins Gesicht und der metallische Geschmack ließ ihre Zunge kribbeln. Blind schlug sie immer wieder zu. Das Geräusch des zerfetzten Fleisches wechselte sich mit dem Knacken der Knochen ab. Ihre Arme zitterten vor Anstrengung und obwohl ihre Augen noch immer weit aufgerissen waren, war ihre Sicht verschwommen. Dann fiel ihr das Beil aus der Hand.
Mia stand regungslos da, ihr Atem zeichnete sich in der Luft ab.
Er regte sich nicht mehr. Ihr Magen drehte sich um und fast hätte sie gewürgt. Sein Kopf war nicht mehr zu erkennen, nur eine gewaltige, dunkelrote Masse. Einer Ohnmacht nahe sank sie auf die Knie. Schneeflocken rieselten in der Luft und landeten auf dem Körper vor ihr. Sie hatte es geschafft.
Sie lebte. Ein makaberes Grinsen leuchtete in ihrem Gesicht. Er war tot, und sie lebte.
Lachend brach sie in sich zusammen, ohne zu wissen welcher Emotion sie als erstes nachgeben sollte.
"An deiner Stelle würde ich anfangen zu rennen..."
Vor Schreck starr blickte Mia zum Haus. Eine Frau stand in der Tür, die Schrotflinte in der Hand. Ihr Blick ging von Mia zu dem Toten und ein süßliches Lächeln umspielte ihr Gesicht. Der Schnee verfing sich in ihrem struppigen blonden Haar.
"Du hast 3 Sekunden..." sagte sie feixend und nahm die blutüberströmte Frau ins Visier.
"1..."
Mia rannte.

J.W.Gacy

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