Nina stöhnte und drückte das Kissen auf ihr Gesicht.
War das zu glauben?
Es war 3 Uhr morgens und aus der Wohnung über ihr schrie
sich
eine Frau die Seele aus dem Leib. Sie rief alle Götter und das rhythmische Klatschen hallte in den Wänden wieder.
Nina warf das Kissen zur Seite.
Es brachte nichts, so würde sie nie schlafen können. Sie rieb sich über die Augen und schwang die Beine aus dem Bett. Mit nackten Füßen ging sie in die Küche und füllte ein Glas mit Leitungswasser.
Doch auch hier war sie vor den Geräuschen nicht sicher. Sie streckte sich. Das blonde Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht. Sie blickte hoch zur vibrierenden Wand.
Das ging nun schon seit geschlagenen 2 Stunden so.
Ein paar Mal hatte sie gedacht, es wäre endlich vorbei, doch ihr Nachbar schien eine außerordentliche Kondition zu haben. Anders als ihr eigener Freund, der meist nach einer halben Stunde erschöpft einschlief.
Nina schnaubte bitter.
Selbst wenn diese Ruhestörung nicht mitten in der Nacht gewesen wäre, hätte sie sich daran gestört.
Wie konnte man nur so unsensibel sein?
Immerhin konnten Kinder das hören!
Kurz entschlossen zog sie ihren Morgenmantel über. Sie schlüpfte in ihre pinken Pantoffeln und nahm sich den Wohnungschlüssel vom Haken.
Mit festen Schritten marschierte sie ein Stockwerk höher und klopfte an die Tür.
Die Geräusche verstummten kurz. Es war etwas Gepolter zu hören und Schritte, die sich schwerfällig zur Tür bewegten. Nina verschränkte wütend die Arme vor der Brust und wartete ab, bis jemand die Tür öffnete.
Der Schock traf sie hart.
Ein alter Mann öffnete vollkommen zerknittert die Tür. Er sah aus, als hätte sie ihn gerade eben aus dem Bett geworfen. Verdattert klappte ihr Mund auf.
"Kann ich ihnen helfen? Ist alles in Ordnung?"
Der Mann wirkte besorgt.
Nina konnte gerade noch mit dem Kopf schütteln und rang sich ein Lächeln ab.
"Tut mir leid, dass ich um diese Uhrzeit störe!" murmelte sie verlegen. "Ich, ich habe seltsame Geräusche gehört und wollte nur sicher gehen, dass bei ihnen... alles in Ordnung ist!"
Der alte Mann runzelte die Stirn. "Haben sie etwas getrunken?"
Nina schüttelte entschuldigend den Kopf.Sie war noch immer vollkommen perlex und wusste nicht, wie sie auf diese Situation reagieren sollte. "Tut mir leid" wiederholte sie und stieg eilig die Treppen hinunter. In ihrem ganzen Leben war ihr noch nie etwas so peinlich gewesen.
Die nächsten Tage oder besser Nächte waren ruhig.
Doch dann, 2 Wochen später, fing es wieder an.
Eine Frau schrie und flehte und das Bett knarrte so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Nina griff nach den vorsorglich gekauften Oropax und nachdem auch das nicht half, nahm sie sich den Kopfhörer und stellte auf ihrem MP3-Player das Meeresrauschen ein, während sie versuchte, nicht an den alten Mann zu denken.
Am nächsten Abend kam sie hundemüde von der Arbeit.
Schon im Treppenhaus fiel ihr ein merkwürdiger Geruch auf. Sie rümpfte die Nase und zog einen Brief aus ihrem Kasten. Doch statt ihres Namens stand dort, in schöner Handschrift, der Name ihres Nachbarn.
Leise fluchend sah sie den Brief an.
Die Höfflichkeit verlangte, dass sie dem alten Mann den Brief persönlich in die Wohnung brachte, aber eigentlich wollte sie lieber sofort in die Badewanne und den Tag vergessen. Einen Moment überlegte sie, dann stieg sie schwerfällig die Treppen hinauf und klopfte an der Tür.
Erst dachte sie, dass niemand zu Hause sei, doch dann öffnete sich die Tür und der alte Mann lächelte sie freundlich an.
"Was kann ich für sie tun, Nina, richtig?"
"Der ist wohl fälschlicherweise in meinem Briefkasten gelandet!"
Sie reichte ihm den Brief und wollte, so schnell es ging, wieder verschwinden.
"Nina, haben sie einen Augenblick?"
Verwirrt nickte sie.
"Würden sie mir kurz etwas aus dem obersten Regal reichen? Ich möchte mich nicht auf einen Stuhl stellen müssen!"
Nina zögerte und sah auf die Uhr.
"Es wird sicher nicht viel Zeit in Anspruch nehmen!"
Sie rang sich ein Lächeln ab und nickte. In der Wohnung war der beißende Geruch am schlimmsten und sie hielt so lange es ging die Luft an, wagte es aber nicht, den alten Mann darauf anzusprechen. Er führte sie in die Küche und deutete auf den Stuhl, der vor der Spüle stand.
"Auf dem Schrank steht eine Vase, wären sie so freundlich?"
Nina wurde langsam übel, doch sie nickte und stieg auf den Stuhl. Dennoch konnte sie kaum sehen, wo dort eine Vase stehen sollte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hob den Kopf. "Ich sehe dort keine..."
Dann spürte sie den Schmerz und verlor fast sofort das Gleichgewicht, mit einem lauten Knall landete sie auf dem Boden. Die Welt um sie herum schien plötzlich zu verschwimmen.
Der alte Mann beugte sich über sie und lächelte.
"Danke, Nina." sagte er erschreckend ruhig. "So leicht hat es mir schon lange keine Frau mehr gemacht..."
Panik wollte von ihr besitz ergreifen, doch ihr Körper verweigerte jede Reaktion.
"Was was ist los?"
Er packte ihre Knöchel und zog sie mit erstaunlicher Kraft über den langen Flur in sein Schlafzimmer.
Nina wollte sich wehren, doch kein Muskel konnte sich rühren. Er warf sie auf das Bett, vor Panik riss sie die Augen auf.
Neben ihr lag die Leiche einer Frau.
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