Oberhausen – „Der schöne Schein“, so lautet der fast schon
philosophisch gewählte Name der neuen Ausstellung im Gasometer
Oberhausen.
Was ist schön? Was scheint schön zu sein? Wie haben sich die
Betrachtungsweisen der Schönheit im Laufe der Jahrhunderte
verändert?
Genau diesen Themen widmet sich die Ausstellung, die den Bogen
über die künstlerischen Betrachtungsweisen des Himmels und der
Natur an sich, des menschlichen Körpers in all seiner Sinnlichkeit,
die in Schönheit gefasste Verklärung des Todes und der
Vergänglichkeit, sowie über die Schönheit im Schreckens spannt.

Die auf hochglanzformatigen Fotodrucken oder als Gipsabdruck
ausgestellten Exponate wollen einen Eindruck darüber vermitteln, wie
sehr sich die Betrachtungsweisen der Schönheit im Laufe der
Jahrhunderte verändert haben und an sich doch immer gleich geblieben
sind. Angefangen bei der Himmelsscheibe von Nebra, bis hin zu
modernen Künstlern wie Picasso oder Klimt spannt sich der Bogen über
Bilder, die sich im kollektiven Gedächtnis unserer Zivilisation
eingebrannt haben. Rubens, Dürer, da Vinci, Rembrandt, Marc, Dalí,
Caspar David Friedrich, Hieronymus Bosch, Pieter Bruehgel der Ältere
alle – und sogar noch viele weitere ebenbürtige Künstler – sind
hier vertreten. Ein besonderes Highlight dürfte die Sixtinische
Kapelle darstellen, die an der Decke der untersten Ebene angebracht
wurde und die vom Boden aus auch mit einem Spiegel erforscht werden
kann. Aber nicht nur in Öl gebannte Kunstwerke, sondern auch ein
paar Fotografien haben es in die Ausstellung geschafft, wie etwa das
berühmte afghanische Mädchen von Steve McCurry.
Wer nun kritisch anmerken mag: Aber dies alles sind ja nur
Repliken und das echte – authentische – alter Gasometer
Ausstellungen würde fehlen, dem sei gesagt, dass ich mich diesem
Fakt auch erst mit ein wenig Skepsis genähert habe. Aber spätestens
als ich es wagte den Abstand zwischen mir und den Bildern zu
verringern, haben mich gerade diese Repliken in ihrem Bann gezogen.

Aug in Aug mit Nofretete zu stehen ist selbst bei einem Abguss
etwas besonderes. Und hier gibt es keine großen Schlangen vor ihrer
Büste, wie ich dies bei einer Besichtigung des Originals auf der
berliner Museumsinsel erwarten würde. Und auch wenn ich im Auge der
Mona Lisa keine geheimen Botschaften entdecken konnte, so ist es doch
gerade der Fakt, dass man hier jeden Abstand zu den riesigen Bildern
– die meist um einiges größer sind als das Original – auf ein
Minimum verringern kann ein immenser Anreiz in diese Ausstellung zu
gehen. Kann man hier doch jeden Farbtupfer des Künstlers betrachten.
Man sieht wo er geschludert hat, sieht wo Hilfslinien gezogene
wurden, kann die brilliante Farbgebung etwa in Rubens „Haupt der
Medusa“ bewundern, wird auf die Patina der über die Jahrhunderte
entstandenen Risse in der Ölfarbe aufmerksam, oder vertieft sich
staunenden Blickes in wunderbare Kleinigkeiten, die bei mehr Abstand
dem Auge des Betrachters entgangen wären. Allein dies ist schon
Grund genug die Ausstellung zu besuchen, denn selbst wenn man das ein
oder andere Bild aus seinen eigenen Favoriten vermissen mag, so wird
man mit zehn anderen wunderschönen Kunstwerken dafür entschädigt.
Doch wäre der Gasometer nicht der Gasometer, wenn es nicht einen
weiteren Höhepunkt geben würde.
Das Highlight einer jeden Ausstellung im Gasometer, ist immer
jener Moment, indem der Besucher die letzte Treppe besteigt, sich der
riesige Raum mit den über hundert Meter hohen Wänden öffnet und
einem die Ausmaße dieser einstmaligen Kathedrale der Montanindustrie
gewahr werden.

Bisher hat es noch jedes dort angebrachte Exponat geschafft den
Besucher mit Staunen zu erfüllen, oder ihn zum Träumen anzuregen.
Und die gigantische Lichtinstallation der bremer Künstlergruppe
Urbanscreen sollte sich nahtlos in die Reihe dieser Höhepunkte
einreihen. Nicht wirklich verwunderlich, wenn man weiß, wie sehr sie
die Oper von Sydney zu den damaligen olympischen Spielen verzaubert
haben. Ich habe dies zwar nur vom Fernseher aus betrachten können,
aber selbst das hat mir schon die Kinnlade herunter klappen lassen
und hier sollte dies nicht anders sein. Eine 320° Installation lässt
den Besucher, durch seine fast Rundumsicht, in immer wieder neue und
von spährischen Klängen begleitete, sich stetig verändernden
abstrakt aber nicht unbedingt gegenstandslos gehaltenen, sich stetig
bewegenden und verwandelnden Kunstwerken aus absichtlich in
schwarz-weiß Kontrasten gehaltenen Linien und Punkten aufgehen. Doch
sie reichen um die Architektur des Gasometers scheinbar zu verändern,
ihm Vorsprünge und Vertiefungen zu geben oder in eine windumspielte
Textilie zu verwandeln. Dann tanzen tausende von Punkten, scheinbar
ziellos und von brownscher Molekularbewegung angetrieben im Raum, die
sich plötzlich zu geometrisch festgelegten Punkten bewegen, sich zu
Strichen verformen, die wie Dominosteine aufeinander reagieren. Der
Betrachter verliert sich in Raum und Zeit, geht mit den Bewegungen
mit, bevor er sich wieder im Gasometer findet, aber nur um sich dann
erneut zu verlieren. Die Künstlerguppe nennt dies Lumitektur – wie
mir die überaus charmante Janna Schmidt von Urbanscreen verriet –
ein Begriff der auf ebenso einfache, wie poetische Weise
widerspiegelt, worum es sich dabei handelt. Ein durch Licht
(LUMIneszenz) verwandeltes Stück Architektur. Und es war nicht
einfach diese düsteren Wände in ein Kunstwerk aus Licht zu
verwandeln, dazu benötigte es – außer der Kreativität der
Künstler – eine Menge Know-how und zudem modernste Technik.
Um ein Fazit für diese Ausstellung zu ziehen:
Das altbewährte bewährt sich aufs Neue. Die großen
Präzisionsdrucke sorgen bei mir zum wiederholten Male für staunende
Blicke. Und auch Urbanscreen versteht es den wunderschönen und
europaweit einmaligen Ausstellungsraum in einem völlig neuem Licht
erstrahlen zu lassen. Wer das verpasst ist selber Schuld.
Eintrittspreise:
Erwachsene 9 EUR, ermäßigt* 6 EUR
Öffnungszeiten:
10-18 Uhr
(Kassenschluss: 17:30 Uhr)
http://www.gasometer.de
Text: Bernd Badura
Bilder: Frank Gebauer
(Den gleichen Artikel aber mit wesentlich mehr Fotos gibt es hier:
http://www.lokalkompass.de/oberhausen/kultur/der-schoene-schein-gasometer-im-licht-der-kunst-d422327.html)
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