Sonntag, 7. Juni 2015
Der alte Geist des Butlers Teil 2
Teil 2: Wer hat hier einen Geist gesehen?!
Ich arbeitete als Sekretärin für den Vorstandsvorsitzenden eines großen Konzerns, ich verdiente nicht viel aber, meine Arbeitszeiten (von 9 Uhr bis 15 Uhr) ermöglichten es mir immer für Kevin da zu sein und dennoch zu arbeiten. Normalerweise müsste ich länger arbeiten, aber mein Chef, ein junger Unternehmer, mitte Dreißig, der früh in die IT-Branche eingestiegen war, hatte Verständnis für meine Lage und ließ mich immer früher gehen. Er war selbst von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen worden.
Mit einem Schlüssel öffnete ich die Tür zum Büro, mein Chef kam immer erst um 10 Uhr. Ich bereitete also schon einmal alle seine Termine für den heutigen Tag vor. Dann warf ich noch einen Blick in den Spiegel. Hässlich war ich nicht, aber es war mir immer, als könnte man mir ansehen wie überfordert ich war und als würde das meine Schönheit trüben, als wenn ich vor der Geburt meines Sohnes, schöner gewesen wäre. Versteht mich nicht falsch, denn ich liebe meinen Sohn über alles, aber bevor er geboren wurde lag immer eine Spur von Unbeschwertheit in meinem Blick, jetzt sah ich so aus als wäre ich Soldatin in einem Krieg, den nur ich kenne. Seufzend strich ich mir eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und versuchte meine Schminke so gut zu retten wie es mir möglich war. Ich bemühte mich auch, dass meine blauen Augen nicht sorgenvoll dreinblickten, sonst würde Herr Kaiser nachfragen und ich wollte ihm mit meinen Problemen nicht zur Last fallen. Es war ja schon schlimm genug, dass er mich letztens beim weinen erwischt hatte, nachdem mir klar wurde, dass ich schon wieder meine Miete nicht würde zahlen können, was mir jetzt schon zum zweiten Mal in Folge passierte. Der Vermieter hatte mir klar gemacht, dass er mich beim dritten Mal rausschmeißen würde. Herr Kaiser hat mich getröstet und mir gesagt, dass alles wieder gut wird. Nie wieder wollte ich vor meinem Chef so schwach wirken, sonst so war meine Angst, würde ich das bisschen Einkommen, was ich durch meine Arbeit hatte auch noch verlieren.
Und wie man bekanntlich sagt: Wenn man vom Teufel spricht, steht er bereits vor der Tür. Genau bei diesem Gedanken hörte ich meinen Chef hinter mir in den Raum kommen. Er hatte die Eigenart stehts fröhlich und vergnügt zur Arbeit zu kommen. Johannes Kaiser sah mit mitte dreißig immer noch wie Anfang Zwanzig aus. Er hatte schwarzes Haar und sein sonnengebranntes, markantes Gesicht war stehts von einem Dreitagebart umrandet und in seinen Augen saß der Schalk mit dem er die Welt verlachte. Sein gut sitzender schwarzer Anzug passte perfekt zu seinem schwarzen Haar und wie lässig er dort stand... "Guten Morgen, Frau Meißner!", meinte er und riss mich damit aus meiner Schwärmerei.
"G-Guten Morgen, Herr Kaiser, die Unterlagen für den 11 Uhr Termin liegen bereit, den Termin mit Herr Neuhoff von der Personalabteilung habe ich auf 12 Uhr verlegt.", es war ja schlimm genug, dass er mich für schwach hielt, aber von meinen Gefühlen für ihn durfte er nun wirklich nichts erfahren.
"Danke, Frau Meißner", sagte er mit einem Lächeln, "Alles okay, bei ihnen?" "Natürlich.", antwortete ich bestimmt, natürlich nicht, aber das musste er ja nicht wissen. Währenddessen quitierte Herr Kaiser dies mit einem Nicken und ging in sein Büro.
Ich spürte wieder einen kalten Lufthauch. Panik schoss in mir hoch, das war nur das Fenster, mehr nicht. Ich lief schnellstmöglich um den Tresen herum zum Fenster uns schloss es. Erleichtert setzte ich mich auf meinen Stuhl. "Gnä´ Frau, ihre Unhöflichkeit hat schier keine Grenzen!", hörte ich die Stimme sagen. Tränen schossen mir in die Augen. "Oh Gott ich werde irre, das darf nicht sein!", schoss mir durch den Kopf. "Ach, sie dummes Weibsbild, sie kriegen gleich noch ´nen Schlag wenn sie sich nicht beruhigen.", quitierte die Stimme meine Panik. "Sie sind nicht da, gar nicht da!", versuchte ich mir immer wieder einzureden. "Ach, meine Dame, machen sie sich nicht lächerlich, sie wissen genau wie ich das, das nicht funktionieren wird, finden sie sich damit ab, dass ich nun hier bin und das ich ihnen helfen werde.", meinte die Stimme ganz sachlich. "Hilfe? Ich brauche keine Hilfe! Verschwinden sie!"
Ich war wohl zu laut gewesen, denn sogleich kam Herr Kaiser aus dem Büro. "Mit wem reden sie?", fragte er mich verwundert. "Ich habe telefoniert.", antwortete ich auf die Schnelle. "Alles in Ordnung?", fragte Herr Kaiser mich sorgenvoll, "sie sehen aus als hätten sie einen Geist gesehen."
Ich begann hysterisch zu lachen:"Einen Geist gesehen wie kommen sie denn darauf? Nein ich habe keinen Geist gesehen" (streng genommen keine Lüge, gesehen habe ich ihn ja nicht... nur gehört).
Verwirrtt runzelte er die Stirn, dann machte er den Mund auf um etwas zu sagen, besann sich jedoch dann eines Besseren und ging zurück in sein Büro.
"Sehen sie, gnä´Frau es bringt nur Verderben, die Stimme zu erheben.", meinte die Stimme sobald Herr Kaiser seine Bürotür geschlossen hatte. "Ich bin geliefert, ich werde meine Arbeit und meinen Sohn verlieren, weil ich meinen Verstand verliere.", gab ich ihr zur Antwort. "Sie verlieren nicht ihren Verstand meine Liebe, ich existiere wirklich", erwiederte die Stimme. "Ach?", antwortete ich, "Und können sie das beweisen?" Ich meine wenn ich beweisen kann das die Stimme gar nicht existiert, dann würde ich sie doch nicht mehr hören, oder? "Sicher.", meinte die Stimme, "sie werden garantiert etwas über mich in diesem Zwischennetzwerk finden.". "Zwischenetzwerk?", meinte ich verwirrt. "Ja.", meinte die Stimme, "Internet." Zwischennetzwerk- Internet, ich musste leise lachen, denn offensichtlich hatte die Stimme Internet wörtlich genommen, denn Inter heißt zwischen und net ist die Abkürzung für das englische Wort "Network"- Netzwerk. Lachend schaltete ich den Computer ein. "Wie war noch einmal ihr Name?", fragte ich die Stimme. "Ernst Haufinger.", meinte sie, nun um einiges fröhlicher, da ich wenigstens die Möglichkeit eingeräumt hatte, das er existieren könnte.
"Ich wurde am 19. März, 1890 in Wien geboren und bin in jungen Jahren mit meiner Mutter in das Deutsche Reich ausgewandert, hier in Köln machte ich dann meine Ausbildung zum Butler. Im Jahre 1918 wurde ich dann der Buttler der Familie Bruckner und blieb es bis zu meinem Tod.", erzählte er mir. "Und gestorben sind sie als Deutschland kapitulierte, am 8. Mai, 1945?", fragte ich ungläubig.
"Ja.", meinte er mit belegter Stimme, "nun sie müssen wissen seit 1930 war Herr Arnold Bruckner der Herr im Hause, seit 1933 war er dann Hauptmann bei der SS, als Butler war ich stehts da und wusste um alle Geheimnisse der Familie, als Deutschland kapitulierte, wurde er wahnsinnig er erschoss seine ganze Familie, wie auch mich und richtete sich schließlich selbst: und das alles nur damit wir nicht in die Hände des Feindes fallen konnten. Ich konnte weder sie noch mich retten. Diese Schuld wird bis in alle Ewigkeit auf mir lasten." Ich glaube genau das war der Moment, als ich begriff das er real war und das er mir nichts tun wollte, er trägt eine Schuld mit sich herum und er versucht alles wieder gut zu machen.
"Ernst Haufinger", gab ich in der Suchmaschine ein.
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