
Teil 5: Kühne Träume und wahre Wunder
Mein ganzer Körper war angespannt. Ich hatte von Leuten gehört die nach einer für sie schlimmen Situation unter Schock standen. Selbst war mir das aber noch nie passiert. Und als Herr Kaiser dann "Frau Meißner." sagte, da löste sich der Schock von meinen Gliedern und pure Panik durchflutete mich. Ich machte also das erste, was einem durch den Kopf geht, wenn man in Panik ist. Ich gehorchte meinen Instinkten, die sich bereits vor tausenden von Jahren durch die Evolution in den Köpfen der Menschen festgesetzt hatte : Ich floh. Nahm die Beine in die Hand und lief weg. Und ließ Herr Kaiser mit offenem Mund, sprachlos, sitzen. Ich lief blindlings mitten in den Wald hienein, den ich eben erst, es scheint eine Ewigkeit her zu sein, beobachtet hatte. Ich lief so lange, bis ich außer Atem war und mich vollends verlaufen hatte. Bereits jetzt fluchte ich über mich selbst und die Eigenart vor schlimmen Problemen, mit denen ich allein nicht klar kam, einfach wegzulaufen. Das war ja eine tolle Lage in die mich Ernst da gebracht hatte. Ich meine...Was hätte ich auch tun sollen? Ich ging in meinem Kopf die Optionen durch:
- Ich hätte einfach sitzen bleiben um seine Antwort abwarten können, die wahrscheinlich nur in meinen kühnsten Träumen positiv ausgefallen wäre.
- Ich hätte so tun können als wäre es nur ein Scherz gewesen, aber dann hätte er denken müssen, dass ich ihn hasse, weil das einfach nur unfreundlich wäre.
- Ich hätte das tun können was ich getan habe.
Entscheidungen...oh wie ich Entscheidungen hasste und immer noch hasse. In diesem Moment musste ich wieder eine treffen. Wieder traf ich sie rein intuitiv. Ich lief auf seine Stimme zu. Und wie aus dem nichts tauchte Herr Kaiser vor mir auf. "Marie...", seine Stimme klang erleichtert. Konnte es sein? "Herr Kaiser...", erwiderte ich ängstlich. Mein ganzer Körper begann zu zittern:"Es tut mir leid. Ich..." Und ehe ich ihm eine dumme Ausrede auftischen konnte, legte er mir seine Finger auf die Lippen. "Ich habe sie nur eingestellt weil ich mich, in dem Moment in dem ich sie zum ersten Mal sah, in sie verliebte. Jeder Tag an dem ich sie nicht sehe ist ein verschwendeter Tag. In meinem ganzen Leben , bin ich noch nie einer so fleißigen, liebevollen und starken Frau begegnet wie ihnen. "Herr Kaiser...", meine Lippen fühlten immer noch die Berührung der Finger die noch kurz zuvor auf meinen Lippen gewesen waren. Mein ganzer Körper vibrierte, denn meine kühnsten Träume waren war geworden. In diesem Moment wurde mir bewusst wie nah wir uns waren. Nur Zentimeter trennten seine Lippen von meinen. Und dann war da nichts mehr zwischen uns beiden und aus einem anfänglichen zögern wurde wahre Leidenschaft. Seine Hand glitt von meiner Wange bis hinunter zu meinem Rücken und meine Hand verwuschelte ihm das Haar.
Hätte ich über die Schulter geschaut, wäre mir aufgefallen, dass genau die Spottdrossel, die ich eben beim Suchen beobachtet hatte nun mit einer anderen auf einem Ast saß und die schönsten Lieder sang. Doch ich merkte von alldem nichts, denn für diesen einen Moment, gab es keine Welt, nichts außerhalb von mir und ihm. Keuchend rangen wir um Atem und lächelten einander an, seine Hand lag immernoch auf meinem Rücken. Bis jetzt kann ich euch nur wenige Augenblicke nennen, an denen ich glücklicher war als genau in diesem Moment. Ich sah das funkeln in seinen Augen und ich wusste es galt nur mir. Lachend hielt er mir die Hand hin: "Ich bin Johannes." "Marie.", meinte ich und nahm seine Hand. Und so gingen wir händchenhaltend zum Büro zurück. In einer Stunde war aus Frau Meißner und Herr Kaiser, Marie und Johannes geworden.
Dieser Tag war für mich eine Abfolge von glühenden und verführerischen Blicken. Wie schwer es uns viel unseren Job zu machen und es bei diesen Blicken zu belassen. Wie oft mir an diesem Tag etwas hinfiehl oder ich den selben Satz zehn mal las um ihm abzutippen, weil ich nur an Johannes dachte und mir die Wörter gar nicht merken konnte. Und die Vorfreude und Angst vor der Frage, die so unweigerlich auf diesen Tag folgen würde, wie das Amen auf ein Gebet: Die Frage nach einem Date.
"Willst du...?", hörte ich ihn neben mir sagen. "Ja!", antwortete ich sofort. "Okay.", sagte er dann ging er hin und machte mir auch einen Kaffee. Wirklich ich sollte lernen die Menschen ausreden zu lassen. Denn wenn ich die Sätze anderer vervollständige, dann liege ich irgendwie immer falsch. "Maria..." "Johannes...", meinten wir gleichzeitig. "Du zu erst." meinte ich. Langsam atmete er durch, als würde er all seinen Mut zusammen nehmen, dann meinte er: "Willst du morgen mit mir ausgehen?"
Ist euch das jemals passiert? Den ganzen Tag freut ihr euch auf etwas und erst wenn ihr es haben könnt, dann schaltet ihr euer Gehirn ein und bemerkt die Hindernisse. Mein Problem war, dass ich ja immernoch einen Sohn hatte. "Ich würde gerne...", meinte ich. "Aber?", antwortete Johannes leicht entäuscht. "Ich habe einen Sohn und ich kann ihn nicht allein zu Hause lassen, aber einen Babystitter kann ich auch nicht bezahlen." Ich hörte wie er erleichtert ausatmete. Er hatte wohl Angst gehabt ich würde nein sagen. "Also ist das kein nein, sondern eher ein vielleicht?", fragte er mich hoffnungsvoll. "So könnte man sagen.", meinte ich. Noch nie in meinem Leben habe ich mich unsicherer gefühlt, als genau in diesem Moment. "Weißt du, du könntest deinen Sohn doch einfach mitbringen...Ich wollte ihn schon immer mal kennenlernen, denn du hast mir so viel von ihm erzählt.", meinte Johannes mit einem unsicheren Lächeln. Erleicherung machte sich in mir breit. "Echt? Da hättest du nichts gegen?", fragte ich nun fröhlicher. "Nein, gar nicht.", meinte Johannes nun wieder entspannt, "Also morgen um sieben?" "Okay."
Als ich in meinem Auto saß spührte ich wieder Ernsts Gegenwart hinter mir. "Danke", flüsterte ich. "Sehen sie, sie brauchten nur einen Anstoß, einen Schups in die richtige Richtung!", hörte ich ihn mit einem Lachen sagen. "Und es tut mir leid, dass ich sie kurzfristig gehasst habe.", sagte ich mit einem schlechten Gewissen. "Damit kann ich leben.", meinte Ernst nun schmunzelnd. Fröhlich lachend fuhr ich mit dem Auto zur Kita. Doch dann als ich dort stand und wartete bis Kevin seine Sachen zusammenpackte, da traf mich die Panik wie ein Schlag: Oh Gott, was sollte ich anziehen, was sollte Kevin anziehen, meine Frisur und Make up? Was sollte ich bloß tun?
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